Der Begriff Abhängigkeit wird in den offiziellen Diagnosesystemen, dem ICD-10* und dem DSM-5**, definiert.
Nach der Definition im ICD-10, das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen wird, soll die Diagnose Abhängigkeit nur gestellt werden, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien gleichzeitig während des letzten Jahres vorhanden waren:
Die Diagnose einer Substanzabhängigkeit kann auf jede Substanzklasse angewendet werden. Im ICD-10 wird unterschieden zwischen Alkohol, Opioiden, Cannabinoiden, Kokain, Stimulanzien, Halluzinogene, flüchtige Lösungsmittel (Schnüffelstoffe), Tabak, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie multiplem Substanzgebrauch und dem Konsum sonstiger psychotroper Substanzen. Jedoch tritt nicht bei jeder Substanz ein körperliches Entzugssyndrom auf wie beispielsweise bei Halluzinogenen, was als Anzeichen dafür gewertet werden kann, dass keine körperliche Abhängigkeit vorliegt.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Sucht oft gleichbedeutend mit Abhängigkeit verwendet. Im Jahre 1964 hat die WHO den Begriff „Sucht“ jedoch offiziell zugunsten des Begriffs „Abhängigkeit“ aufgegeben. „Abhängigkeit“ könne als Bezeichnung vielseitiger eingesetzt werden und lasse sich sowohl auf die körperliche wie auch die psychische Abhängigkeit beziehen.
Die Definition der Abhängigkeit im DSM-5, das von der American Psychiatric Association herausgegeben wird, ist weitestgehend identisch mit der des ICD-10. Zusätzlich wird im DSM-5 noch die soziale Dimension einbezogen. Damit gemeint ist die Einschränkung oder die Aufgabe wichtiger sozialer oder beruflicher Aktivitäten aufgrund des Substanzkonsums wie beispielsweise die Vernachlässigung schulischer oder beruflicher Aktivitäten.
Seit der Überarbeitung des DSM von der vierten zur fünften Ausgabe wird nicht mehr zwischen den Begriffen „Missbrauch“ und „Abhängigkeit“ unterschieden. Stattdessen werden beide Begriffe unter dem Titel „Substanzgebrauchsstörung“ zusammengefasst. Die Substanzgebrauchsstörung wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt. Von den insgesamt 11 Kriterien im DSM-5 müssen mindestens 2 innerhalb des letzten Jahres aufgetreten sein. Bei 2-3 Kriterien gilt die Substanzgebrauchsstörung als leicht, bei 4-5 Kriterien als moderat. Ab 6 Kriterien wird die Substanzgebrauchsstörung als schwer eingestuft.
Grundsätzlich kann zwischen einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit unterschieden werden. Im DSM-5 gelten Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen als Anzeichen für eine körperliche Abhängigkeit. Eine Toleranzentwicklung, bei der immer mehr konsumiert werden muss, um die ursprüngliche Wirkung zu erzielen (siehe ICD-10-Kriterium Nr. 4), gibt es allerdings bei fast allen Drogen, wenn sie regelmäßig konsumiert werden. Auch bei den Drogen, von denen man „nur“ psychisch abhängig werden kann wie zum Beispiel von Halluzinogenen. Daher ist die Toleranzentwicklung zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Merkmal für eine körperliche Abhängigkeit.
Körperliche Entzugssymptome wie Zittern, Schweißausbrüche oder Magenkrämpfe hingegen sind relativ sichere Hinweise auf eine körperliche Abhängigkeit. Der dauerhafte Konsum führt dazu, dass sich der Stoffwechsel des Körpers anpasst und der Organismus die psychotrope Substanz schließlich für ein normales Funktionieren „braucht“. Wird die Substanz abgesetzt oder deutlich reduziert, wird der Stoffwechsel gestört, es treten Entzugserscheinungen auf, die durch erneuten Konsum der Droge vermieden oder gelindert werden können.
Die psychische oder seelische Abhängigkeit beinhaltet ein unwiderstehliches, maßloses Verlangen nach der weiteren Einnahme der Droge, um Unlustgefühle zu vermindern und Wohlgefühl herzustellen. Dies wird auch Craving genannt. Die Kontrolle über den Konsum ist stark eingeschränkt. Bei einer Alkoholabhängigkeit zeigt sich dies beispielsweise dadurch, dass die Betroffenen nicht in der Lage sind, nur ein Glas Bier zu trinken, sondern weitertrinken bis sie betrunken sind. Auch die weiteren oben genannten Abhängigkeitskriterien kennzeichnen vor allem die psychische Abhängigkeit, wie die Vernachlässigung anderer Interessen und das Fortsetzen des Konsums trotz schädlicher Folgen. Bei Abstinenz können zudem psychische Entzugserscheinungen wie Unruhe, Depression und Angstzustände auftreten. Eine psychische Abhängigkeit ist meist langwieriger und schwerer zu überwinden als eine körperliche.
*„ICD“ steht für „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“, die „10“ kennzeichnet die zehnte Überarbeitung.
**„DSM“ steht für „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“, „5“ weist auf die fünfte Überarbeitung hin.
Quellen:
Stand der Information: Januar 2018